"Lago Di Bonzo", schimpfen die Bayern, wenn sie böse sind auf den Autokonvoi, der sich an sonnigen Tagen aus München heranwälzt. Prominente und Reiche suchen sich halt gern die schönsten Ecken der Welt aus. Und der Tegernsee kann da mithalten, wie auch mit den Seen auf der Alpen-Südseite. Man tut also gut daran, den Fußballern und Oligarchen, den Wittelsbachern und CSU-Oberen die Dörfer, Biergärten, Blumenwiesen, Ufer und Wanderwege nicht komplett zu überlassen. So halten es auch die Einheimischen zwischen Gmund, Tegernsee, Rottach-Egern und Bad Wiessee. Sie regulieren die Promidichte, indem sie ihre Kühe auf den wertvollsten Wiesen Bayerns einfach weiter grasen lassen, ihre Trachtenfeste und Stammtische feiern, auch wenn manche Lederhose aus Fernost dazwischen sitzt, und einen grünen Landrat wählten, weil er den Autoverkehr auf der Ringstraße eindampfen will. Genau diese Gemengelage führt dazu, dass ich unter dem Gewölbe des "Bräustüberls" am Holztisch ein gekühltes Tegernseer trinke, krossen Braten und Brezn esse, und die Tochter von Michail Gorbatschow am Nachbartisch dasselbe tut. Womit wir bei meinen Liebeserklärungen wären.
Seit das süffige Bier selbst in Hamburg und Berlin Kult ist, kommen die Wittelsbacher mit dem Brauen kaum hinterher. Trotzdem bleibt das "Bräustüberl" im ehemaligen Benediktinerkloster, wie es immer war: eine Kaschemme, in der sich Dialekt und Biergläserklirren zum typischen Wirtshaus- Sound vermischen, die bayerische Karte auf eine Seite passt (Schweinshaxn, Leberknödlsuppe, Pressack) und das perfekt eingeschenkte Bier dafür sorgt, dass ich mich leicht bräsig vor mich hin freue (Tegernsee, Schlossplatz 1, www.braustuberl.de).
Wie eine Burg ragt der Wiesenhügel vor dem Ort Tegernsee ins Wasser. Einsam ist es nicht. Aber Beach-Volleyballplätze, Sand- und Kiesstrände, der Kiosk, dazu der Blick auf die Bergspitzen von Wallberg und Fockenstein sind einfach ideal, um sein Handtuch zu werfen und in den See zu springen. Von der Pointspitze kann man sich vom "Überführer" nach Rottach-Egern rudern lassen (südlicher Ortsrand). Wer’s exklusiver mag, mietet eine Liege im Beachclub am Bistro "Fährhütte 14" in Egern (www.faehrhuette.de).
Ein parkähnliches Grundstück mit alten Buchen, Holzbalkone, grüne Fensterläden, Zimmer voller Antiquitäten, eine Veranda zum Frühstücken, Buchlesen, Weintrinken: In der Villa von 1885 feierte eine gewisse Adolphine angeblich rauschende Feste. Heute geht es deutlich ruhiger zu. Für die Gäste des 15-Zimmer-Hotels (Rottach-Egern, www.villa-adolphine.de) werden Yoga-Stunden und Wohlfühlkonzerte organisiert, ein Buddha wacht über den Seelenfrieden. Ein schöner Kontrast zum Fünf-Sterne-Hotel "Überfahrt" ein paar Straßen weiter, dessen arabische Kundschaft neugierig über den Lattenzaun lugt. Günstiger ist das Hotel "Seegarten" in Bad Wiessee (www.seegartenhotel.de).
Man kann Ruderboote mieten, Tretboote, einen Dampfer nehmen. Oder man geht mit Christoph Rixner aufs Wasser. Der fährt seinen "Hecht" täglich aus, ein 60 Jahre altes Motorboot mit Platz für 15 Passagiere und einen Kapitän, der die Tour mit Anekdoten in allerschönstem Bayerisch garniert (www.bootsverleih-rixner.de).
Das Prinzip ist immer gleich: Bierbänke, -tische und -zelte, Tanzboden, Bierschänken, Schießbuden und Zuckerwattestände werden im Wald oder auf der Wiese aufgebaut. Die Tegernseer holen ihre Dirndln und Lederhosn aus dem Schrank, drehen sich zwei Tage lang zu Polka und Zwiefachem, juchzen und feiern. Nach 48 Stunden ist der Spaß vorbei. Die Trachtenfeste sind noch schöner als die halbprivaten Vorsaisonwaldfeste, etwa das von Bildhauer Fabian Diem in Dürnbach (Termine unter www.tegernsee.com).
"The winner is …" Wenn die goldenen Kuverts aufgehen und die Oscars vergeben werden, freuen sich die Kohlers aus Gmund. Sie stellen nicht nur die Umschläge für die Gala in L.A. her, sondern rund 100 000 Papier-Varianten, hochwertig, gestanzt, geschöpft, mit Silber, Hanf, Stroh oder Prägungen, mit Wasserzeichen oder ohne. Die älteste Maschine stammt von 1883. Wer Papeterie-Handwerk liebt, macht eine Führung und schaut im Fabrikladen vorbei (de.gmund.com, Anmeldung: Tourist-Info, Tel. 08022-92 73 80).
Ein schwimmender Schwitzkasten, gesaunt wird im Heck, geruht in der Kapitänskabine. Bis 2008 fuhr "Irmingard" noch auf dem Chiemsee. Jetzt liegt sie vor dem "Monte Mare"- Strandbad in Tegernsee. Fünf Saunen sowie Ruhehaus, Dampfbad, Wellness, Solebad, Restaurant, Liegewiese und Kiesstrand. Mein Lieblingsplatz ist allerdings das Schiff (www.monte-mare.de).
Durch die offenen Fenster duften die Sommerwiesen, weiße Lampions über den Tischen konkurrieren mit dem Mond, unten leuchtet der See. In der neuen Brasserie des Hotels "Das Tegernsee" landet Milchkalb als Carpaccio auf dem Teller. Design ohne Schnörkel, köstliches Essen. Nach der Überdosis Alpenkitsch im Tal ein puristischer Augenschmaus. Zum Hotel gehören mehrere Häuser, auch das Sengerschloss, in dem die Wittelsbacher einst Könige und Zaren empfingen (Tegernsee, www.dastegernsee.de).
Der Norweger Gulbransson, der mit seinen Simplicissimus-Karikaturen berühmt wurde, lebte von 1929 bis 1958 in einem Bauernhof über dem See, malte und zeichnete, feierte, zechte und stiefelte halbnackt in einem Schaffellumhang durch seinen Garten. Sein Museum baute der Architekt des Kanzlerbungalows, nur dass der schlichte Flachbau zwischen Kirchtürmen, Wirtshäusern und Kuhweiden viel mehr aneckt (Tegernsee, www.olaf-gulbransson-museum.de).
Dem Kloster Tegernsee gehörten einst 11 000 (!) Höfe im Alpenraum. Auch der Zotzn war ein Klosterhof. 600 Jahre alt sind die holzgetäfelten Stuben, wo sich große Menschen den Kopf stoßen und man den besten Schweinebraten im Tegernseer Tal essen kann. Die Knödel sind eine runde Sache: hausgemacht, auf den Punkt gesotten, mit frischen, einheimischen Zutaten (Rottach- Egern, www.zotzn.de, unbedingt früh reservieren).
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